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10 Uhr vormittags, am 28.09.2001. Diesen Tag werde ich nie vergessen.

Das Aufschreiben der Krankengeschichte ist der Teil der Homepage , der mir am schwersten fällt. Ich versuche das wichtigste in Kürze zu erzählen, weiß aber nicht ob ich es bis zum Ende schaffen werde.

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232 Tage hat Julias Krankheit gedauert, das waren 232 Tage leiden, hoffen, kämpfen, bangen und wissen, das die Chance auf Heilung nicht besteht. Doch die Hoffnung auf Wachstumsstillstand oder eine Revision habe ich zu keinem Zeitpunkt aufgegeben.

95 Tage war sie in stationärer Krankenhausbehandlung, davon alleine 34 Tage auf Intensivstation. Die anderen Tage verteilen sich auf die Neurochirurgie und die onkologische Station der Kinderklinik.

Dank meiner Ausbildung als Anästhesie-und Intensivschwester, war es uns möglich Julia nach Hause zu holen, auch wenn sie eigentlich krankenhauspflichtig war.

Am Mittag des 28.09.2001 wurde Julia notfallmässig operiert. Sie bekam externe Ventrikeldrainagen, dass das gestaute Hirnwasser ablaufen konnte. Die Bilder von MRT und CT zeigten eine Raumforderung im Zwischenhirn, die 5 x 5 x 4 cm gro� war.

Montags wurde Julia erneut operiert, eine Probe wurde entnommen. Der Schnellschnitt der Probe wurde als Gliom bezeichnet. Die Histologie bestätigte den Verdacht. Es handelt sich um den bösartigsten Hirtnumor den es gibt, ein Glioblastom IV. Der Tumor lag außerdem so ungünstig, dass er nicht operiert werden konnte. Er lag im Zwischerhirn, suprasellär, mit Beteiligung des dritten und vierten Ventrikels.

Am 10. Oktober bekam Julia einen Shunt operiert, das Hirnwasser konnte jetzt in den Bauch abfliessen. Sie konnte sie sich wieder frei bewegen. Fünf Tage später eine erneute Operation, diesmal bekam sie einen Port, das ist ein Zugang, der im Körper fixiert ist, so das man nicht immer neu gepiekst werden muss.

Trotz der schlechten Prognose entscheiden wir uns f�r eine Chemotherapie, die einen Tag sp�ter begann. Julia wurde wegen ihres Alters in der Kinderklinik behandelt. Sie will ihr Zimmer nicht verlassen, weil ja alle Kinder hier Krebs haben, sagt sie.

Ich weiß nicht wie weit sie realisiert dass sie auch Krebs hat. Julia hat seit ihrer ersten Operation Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Aktuelle Dinge vergisst sie oft, an ihr Leben vor der Erkrankung kann sie sich allerdings sehr gut erinnern. Sie hat nie gefragt was für einen Tumor sie hat, bzw. ob sie geheilt werden kann, ich bin mir aber sicher das sie schon lange vor uns wusste, das es keine Heilung geben wird.

Die 5 Tage Chemotherapie hat sie sehr gut vertragen. Sie durfte nach Hause, und viele Untersuchungen konnten ambulant durchgeführt werden. Das erneute MRT zeigte kein weiteres Tumorwachstum, und wir erhofften uns eine kleine Erholungspause bis zum nächsten Chemoblock. Parallel dazu liefen die Vorbereitungen zur Strahlentherapie.

Nur fünf Tage durfte Julia zu Hause sein, dann verschlechterte sich ihr Zustand, durch die Chemotherapie bekam sie eine Sepsis (Blutvergiftung). Sie musste auf Intensivstation und wurde beatmet, da sie zusätzlich noch ein Herz- und Nierenversagen und eine Thrombose im Portkatheter bekam.

 

In dieser Zeit habe ich täglich mit Julias Tod gerechnet. Eine Woche lang wurde ihr Kreislauf nur mit Hilfe von Medikamenten aufrechterhalten. Doch Julia erholte sich. Nach 23 Tagen wurde sie auf die Kinderstation verlegt. Sie musste alles neu lernen, sitzen. laufen, essen usw.

Die Strahlentherapie hatte schon auf Intensivstation begonnen, und Julia wurde nach ein paar Tagen nach Hause entlassen. Unser Wohnzimmer�glich in dieser Zeit einer Krankenstation.

Bis zum Anfang Januar war Julia zu Hause. Wir fuhren insgesamt 33-mal zur Strahlentherapie nach Bonn. Julia war wacher und orientierter. Sie setzte sich sogar für kurze Zeit an den Computer, und mit Hilfe konnte sie sich in der Wohnung bewegen.

Doch leider kam der n�chste R�ckfall. Unter der Strahlenbehandlung war der Tumor gewachsen, und Julia bekam St�rungen in ihrem Salzhaushalt. Die Regulation von Natrium erfolgt unter anderem im Gehirn. Durch den Tumor hatte Julia eine Dysregulation. Die Salzwerte �nderten sich t�glich. Doch Dank der Hilfe der Firma Fresenius und der DAK war dies kein Grund Julia in die Klinik einzuweisen. Sie stellten mir ein Ger�t zur Verfügung, mit dem ich zu Hause die Blutwerte kontrollieren konnte.

Von diesem Zeitpunkt an, hatte Julia eine Dauerinfusion und Dauermedikamente per Perfusor laufen.

Das MRT zeigte einen Tumorrückgang von über 50 %. In der Zwischenzeit hatte ich Kontakt zu Amerika und einem Arzt in Berlin aufgenommen, er signalisierte, dass der Tumor operabel sei. Julia wurde dann im Februar 2002 dreimal operiert. Sie bekam einen Broviackatheter ( fest eingebauter ven�ser Zugang ). Diese Katheter halten ca. 1 � 1, 5 Jahre. Julia bekam innerhalb k�rzester Zeit noch zwei weitere, da der erste nicht funktionierte und der zweite rausrutschte.

Zu Hause begannen wir mit einer Chemotherapie in Tablettenform. Nach drei Tagen mussten wir aufh�ren, da Julia Halsschmerzen bekam. Nach vier weitern Tagen musste sie erneut auf Intensivstation. Durch die Medikamente hat sie ein Nierenversagen bekommen. Die Urinmengen lagen bei �ber 25 Liter am Tag. Das in dieser Zeit erstellte MRT zeigte ein erneutes Tumorwachstum. Der Tumor hatte sich jetzt an drei Stellen im Gehirn ausgebreitet, so dass eine Operation nicht mehr möglich war.

Die Ärzte der Kinderklink sprachen sich gegen eine weitere Therapie aus. Wir wollten jedoch nicht aufgeben. Wir versuchten eine weitere Therapie. Sie bekam hochdosiert Hypericintabletten. Die ersten Wochen erholte sich Julia sehr gut. Die Medikamente die die Urinmenge regelten konnten reduziert werden und sie war wacher und orientierter.

Das nächste MRT war für Anfang Mai 2002 geplant. Mein Gef�hl sagte mir, das der Tumor wieder gewachsen ist. Leider war es so. Julia konnte t�glich etwas weniger, es waren nur ganz kleine Verschlechterungen. Sie schluckte ihre Tabletten (über 40 Stück täglich ) weiter. Wir alle waren sehr deprimiert, und Julia hat dies bestimmt gemerkt.

Am Muttertag hat sie sich abends bei uns f�r alles bedankt, und hat von diesem Zeitpunkt an keine Tablette mehr geschluckt. Sie hatte es f�r sich entschieden. Leider musste sie zwei Tage sp�ter auch noch einen epileptischen Anfall bekommen, der mit einer Ampulle Valium nicht zu durchbrechen war. Es dauerte 35 Minuten bis der Notarzt kam, und so lange krampfte sie. Der Arzt gab ihr Medikamente, und der Krampfanfall hörte auf. Wir wussten das der Zeitpunkt gekommen war, wo wir Julia gehen lassen mussten. Sie bekam� Morphin und Dormicum, dass sie �ber Perfusoren erhielt.

Den letzten Nachmittag haben wir alle zusammen an ihrem Bett verbracht. Sie wollte nicht gehen, und hat so lange gewartet bis ihre Br�der das Zimmer verlassen haben. Um 21.15 Uhr am 16. Mai 2002 ist Julia dann für immer von uns gegeanen.

Das was mich am meistens bedrückt, ist unsere Hilflosigkeit der Krankheit gegenüber. Julia hatte leider nur eine ganz ganz kleine Chance.Sie bekam leider fast alle Nebenwirkungen, die es gibt, und die weitere Therapien unmöglich machten.

Es war sehr schlimm zu erleben wie sie uns teilweise nicht erkannte, und wie aus einem jungen, gesunden Mädchen innerhalb kürzester Zeit ein Pflegefall wurde. Dennoch bin ich froh, das wie die Möglichkeiten hatten, das Julia so oft zu Hause sein konnte, und die ganze Familie diese Entscheidung mitgetragen hat.

 

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